Schließen sich Töpfchentraining und Bedürfnisorientierung gegenseitig aus oder kann ich bedürfnisorientiert Töpfchentraining betreiben?

Wie schaffe ich es, dass mein Kind keine (Stoff-)Windeln mehr braucht?

Was hat Windelfrei mit achtsamer Babypflege zu tun?

Na, erkennst du dich in einer oder mehreren Fragen wieder? Dann bist du hier genau richtig. Wir versuchen uns heute dem Themenkomplex Trockenwerden, Töpfchentraining und Bedürfnisorientierung zu nähern und die wichtigsten Erkenntnisse für dich zusammenzufassen und vor allem die Frage zu klären: Ist Töpfchentraining bedürfnisorientiert?

Ein Blick in die Geschichte der (Wegwerf-)Windeln

Stellen wir uns zunächst die Frage: wie haben unsere Vorfahren das gemacht? Denn wie wir wissen, sind Windeln eine sehr moderne Errungenschaft, vor allem Wegwerfwindeln. Diese wurden erst in den 50er Jahren erfunden und schwappten dann als Trend aus Amerika nach Deutschland über. Davor war die Stoffwindel Normalität. Tja, und davor? Die Antwort lautet nichts. Und auch heute noch gibt es Kulturen, die ihre Kinder gänzlich windelfrei großziehen. Ist das Trockenwerden also nur eine westliche Erfindung, bedingt durch die Verwendung von Windeln?

Das sagt die Forschung

Die Forschung ist sich zumindest in diesem Punkt einig: Das Trockenwerden sollte nicht an einem bestimmten Alter festgelegt werden. Während manche Kinder bereits mit 18 Monaten keine Windel mehr benötigen, tragen andere Kinder noch bis ins vierte Lebensjahr hinein Pampers und Co.

Uneinig ist sich die Forschung jedoch darin, wann ein Kind tatsächlich körperlich dazu in der Lage ist, trocken zu werden. Ältere  Studien gehen davon aus, dass Kinder bis ins zweite Lebensjahr hinein noch gar keine Darm- oder Blasenkontrolle haben können. Dies ist jedoch mittlerweile widerlegt. Eine Studie aus Schweden von Gunilla Gladh kommt zu dem Ergebnis, dass bereits Neugeborene einen aktiven Schließmuskel haben und sich auch auf Druck hin nicht entleeren.

Neuere, bindungsorientierten Studien vertreten daher die Ansicht, dass bereits Neugeborene Signale senden, wann sie mal müssen, wir ihnen diese jedoch durch die Verwendung von Windeln über die Zeit abtrainieren. Sie merken: auf meine Signale wird nicht reagiert und lernen, dass von ihnen erwünscht ist, in die Windel zu machen.

Das Konzept Elimination Communication (windelfrei)

Betrachtet man die Lage weltweit, stellt man schnell fest: die meisten Kinder wachsen ohne Windel auf. Nicht nur, weil vielen Menschen auf der Welt Wegwerfwindeln zu kostspielig sind, sondern es von der Natur aus schon vorgesehen ist, ohne Windeln zu leben.

Besonders bei Stillbabys kann man gut beobachten, wie sie beim Stillen oft unruhig werden, immer wieder an- und abdocken, schreien und sich nicht beruhigen lassen. Für viele ist es ein echtes Aha-Erlebnis, wenn ihnen gesagt wird: das ist ganz normal, dein Baby muss mal! Wird dem Baby nun die Hose ausgezogen und eine Schale unter dem Popo gehalten, kann wunderbar beobachtet werden, wie es sich entleert und danach in Ruhe und zufrieden weiter stillt.

Was sagt uns das? Babys geben von Geburt an Signale, wenn sie mal müssen. Es ist für sie ein normales Bedürfnis wie Hunger oder Nähe, das sie genauso kommunizieren.

Reagieren wir von Beginn an auf diese Signale, werden die Kinder das Gefühl für Ausscheidungen bewahren. Hält man die Baby dagegen nicht minds. 1-2 mal am Tag ab, verlieren sie das Gefühl und es dauert meist länger, bis sie trocken werden. Abhalten stärkt somit auch die Bindung und Kommunikation zwischen Eltern und Kind, da auf Babys Signale reagiert wird.

Was heißt das nun fürs Töpfchentraining ?

“Als ich meine Tochter vor 8 Jahren bekommen und gehört habe, dass man mit 3 Monaten mit dem Töpfchentraining beginnen soll, war ich entsetzt. Ich dachte, das kann doch nicht sein, die armen Kinder, so ein Schwachsinn! Man zwingt das Kind zu etwas, zu dem es noch gar nicht bereit ist – dieser Meinung war ich. Heute weiß ich: Es ist genau andersrum!“ – Julia von Windelzauberland

Das Wort Töpfentraining ist mittlerweile sehr negativ behaftet und auch das hat wieder einen geschichtlichen Hintergrund. In den 70er Jahren wurde exzessives Töpfchentraining mit vielen Kindern betrieben, sie wurden einfach aufs Töpfchen gesetzt und so lange dort sitzen gelassen, bis sie Pipi machten. Es wurde mit Druck, Belohnungen und Bestrafungen gearbeitet – und das entspricht nicht der modernen, bindungsorientierten Begleitung. Ist mit Töpfentraining also das gemeint, so ist es selbstverständlich abzulehnen!

Trotzdem können wir unserem Baby oder Kind immer wieder ermöglichen, aufs Töpfchen oder auf die Toilette zu gehen. Kennen wir bereits im Neugeborenenalter das Konzept windelfrei, so können wir bereits in den ersten Lebenstagen damit beginnen, das Baby regelmäßig abzuhalten. Haben wir dieses Zeitfenster verpasst, weil wir das Konzept Elimination Communication nicht kannten oder aus irgendwelchen Gründen nicht umgesetzt haben, so ist es nie zu spät, damit anzufangen. Wir können unseren Kindern immer wieder das Töpfchen anbieten oder es sich drauf setzen lassen, z.B. morgens nach dem Aufstehen, nach dem Essen oder nach dem Mittagsschlaf. Besonders bei anstehendem Stuhlgang senden auch größere Kinder ganz klare Signale, dass sie mal müssen: manche verstecken sich oder bekommen einen ganz konzentrierten Gesichtsausdruck. Jetzt können wir das Kind ruhig fragen, ob es mal muss und ihm das Töpfen anbieten. Wichtig ist, dass wir dies ohne Druck und ohne Belohnung oder Bestrafung machen. Vorsicht: Kinder merken oft unsere Enttäuschung, wenn es nicht so klappt, wie wir es uns vorstellen, auch, wenn wir es versuchen zu verbergen.

Ist nun Töpfchentraining bedürfnisorientiert?

Immer mehr Eltern begleiten ihre Kinder mittlerweile bedürfnisorientiert, stillen nach Bedarf, warten mit der Beikost, bis das Kind reif ist etc. Während diese Dinge ganz selbstverständlich geworden sind, lassen wir unsere Kinder jedoch noch immer in Windeln pinkeln, ohne auf ihre Signale zu reagieren. Das Kind lernt: „Ich werde nicht gehört!“

Dabei ist es doch genau das, was wir nicht wollen. Ein sanftes Anbieten des Töpfchens steht deshalb ganz und gar nicht im Widerspruch zur Bedürfnisorientierung. Ganz im Gegenteil: bleiben wir im Kontakt und im Austausch zu unseren Kindern, sind wir achtsam gegenüber ihren Ausscheidungen, fördert das die Bindung zu ihnen. Mit bedürfnisorientiertem Trockenwerden ermöglichen wir ihnen außerdem Selbstwirksamkeitserfahrungen und tun nicht nur der Beziehung zu unserem Kind, sondern auch der Umwelt etwas Gutes (Nicola Schmidt, Elternkompass, S. 128). Einen guten Kompromiss bieten hier Stoffwindeln: denn im Gegensatz zu Wegwerfwindeln erhalten Kinder hier ein Nässefeedback, was ihnen ein schnelleres und unkomplizierteres Trockenwerden ermöglicht.